“Endstation”- Preview in Weimar

Viereinhalb Stunden mit dem Zug von Münster nach Weimar. Der Kölner Schweinebauch mit Kimchi  ist noch mit dabei. Ich habe es nicht über´s Herz gebracht, ihn einfach wegzuschmeissen, auch wegen der Herzlichkeit der Wirtin. Der Gestank aus meiner Tasche mischt sich diskret  mit der Schweißmélange des überfüllten Abteils. 

Endlich im Hotel angekommen packe ich das Essen aus und esse kalten Reis mit Schweinebauch und Kimchi – es schmeckt noch wunderbar! Das Kino ist voll, endlich ausverkauft!  Der Trick dabei: “Mon Ami” ist ein feines aber kleines Kino. Mit über 80 Gästen kann man den Saal füllen. Es soll selten so gut besucht sein. Daß es heute anders ist, dazu hat Hye-Jin, die Organisatorin der Koreanischen Filmwoche Weimar  entscheidend beigetragen. Nun spielt sie vor dem Film ein altes koreanisches Instrument,  das Gayagum.  Ich höre es zum ersten Mal in meinem Leben live.  Es klingt mal wie das Plätschern von Regentropfen im Teich, mal wie Monsunregen im See, wie sanfter Wind an den Blättern, mal wie Sturm im Wald …  sehr exotisch, sehr schön. Ich hatte diese Klänge beinahe vergessen in all den Jahren, in denen ich in Deutschland lebe…Danke, Hye-Jin für die schönen Heimatklänge !

Durch die Enge im Saal ist die Stimmung bombig. Lautes, aufgekratzes Lachen wechselt  zu stiller Rührung. Im Saal sitzt  auch Renate Hong aus Jena. Meine Einladung hat sie wahrgenommen und ist mit ihrem Sohn Uwe gekommen. Ich habe mich riesig gefreut über unser Wiedersehen. Jetzt bin ich sehr gespannt, wie Renate und Uwe den Film finden.

Nach dem Abspann herrscht Stille im Saal. Einige sehen etwas mitgenommen aus, vielleicht  von der traurigen Erzählung am Ende des Films.  Selbst dem Kinoleiter hat es die Sprache verschlagen. Renate eröffnet mutig die Diskussion mit einer Frage, warum im Film die Kinder oder andere Verwandte kaum zu sehen sind, und welche Beziehungen sie noch haben. Ein Kapitel für sich, ich habe es ausgelassen. Aber ich deute an, dass einige meiner Protagonisten komplizierte, teilweise belastete Beziehungen  zur einst zurückgelassenen Verwandtschaft haben. Sonst wären sie als Koreanerinnen nicht in das Deutsche Dorf, sondern zu ihnen gegangen.

Ein älterer Herr fragt mich ein wenig genervt, fast aggressiv, was denn die Aussage und Botschaft des Films sei. Wahrscheinlich erwartete er, dass ich eine klare Aussage über ein bestimmtes Thema mache. Ich kann keine Antwort darauf geben, weil ich von verschiedenen Dingen erzähle; Heimat, Heimatlosigkeit, Integration, Altwerden, Eheleben, Kleinkrieg in der Ehe, Beziehungen, Frauenschicksal, etc. Wie vielschichtig das Leben meiner Protagonisten ist, eben genauso facettenreich ist mein Film geraten. 

Ira fragt, was aus dem Restaurant Hamburg geworden ist: das Lokal ist dicht. Die Koreaner wollen keine Schnitzel essen, sondern Gimbab oder Ddug-bok-ki, Reiskuchen in Scharf-Süß-Chillisoße. Wir Koreaner sind sehr konservativ, was Essensfragen betrifft. Schnitzel oder Bratwurst sind zu exotisch.Anders als bei den bisherigen Previews sitzen außer Deutschen und Koreanern viele andere Ausländer im Kino. Sie kommen aus China, der Mongolei, Türkei, USA, Vietnam und Australien. Sie erzählen mir, daß sie sich genau so hin- und hergerissen fühlen. Weder hier noch da, oder sowohl hier als auch da. Sie fühlen sich an beiden Orten zuhause und doch nirgendwo richtig –  Segen und Fluch.

Aber Frau Hong sagt: “Heutzutage kann man zwei Heimaten haben, wenn man hin und her reisen und besuchen kann. Nach Nordkorea darf man ja nicht so einfach einreisen. ich hätte vielleicht auch zwei Heimaten… Ich wünschte mir zwei Heimaten. Aber ich durfte sie nicht haben.”

Ist es ein Luxusproblemchen, sich darüber zu beklagen, ewig rastlos zwischen zwei Kulturen und Kontinenten pendeln zu müssen ohne zur Ruhe zu kommen?

Die Fragen in Weimar:
  • Wo ist Ihr (mein) Zuhause?
  • Wie kam der Film in Korea an?
  • Was war das für eine Veranstaltung in der große Halle?
    Das war eine Präsentation von Tänzen und von Gesundheitsämtern organisierte  Gymnastik
  • Feiern die Koreaner gerne?
    Ja, sehr gerne. Sie sind regelrecht vergnügungssüchtig.
  • Sonst wurde über die Bedeutung von Sprachbeherrschung für die Integration,  über das Altwerden Paarbeziehungen, Partnerbevormundung usw. parliert.

Vor dem Film ein Interview mit dem Kabel-TV Salve

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